Eine der bekanntesten vietnamesischen Bloggerinnen, Nguyen Ngoc Nhu
Quynh, besser bekannt unter ihrem Pseudonym Me Nam ("Mutter Pilz"),
ist wegen Propaganda gegen den Staat zu zehn Jahren Haft verurteilt
worden.
Die Staatsanwaltschaft hatte die 37-jährige Bloggerin nach
Paragraph 88 des vietnamesischen Strafgesetzbuches angeklagt. Mit
einer Verurteilung zu zehn Jahren Gefängnis hat das Gericht fast
das Höchstmaß verhängt. Der Paragraph ermöglicht Strafen bis
zu zwölf Jahre. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch
(HRW) bezeichnete die Anklage bereits im Vorfeld als "vollkommen
unverhältnismäßig". Reporter ohne Grenzen, die USA, Großbritannien
und die Europäische Union fordern seit längerem die Freilassung von
Nguyen Ngoc Nhu Quynh.
Die Bloggerin ist seit Oktober 2016 in Haft. Die Behörden nahmen
sie fest, als sie einen anderen Aktivisten in einem Gefängnis nahe
des berühmten Touristenortes Nha Trang besuchen wollte. Die
Sicherheitskräfte durchsuchten anschließend ihr Haus und
beschlagnahmten Protestplakate, auf denen die vietnamesische
Regierung aufgefordert wurde, rechtliche Schritte gegen ein
taiwanesisches Stahlwerk einzuleiten. Das Stahlwerk hatte im April
2016 große Mengen hochgiftiger Abwässer illegal im Meer
entsorgt. Ein ganzer Küstenstrich in Zentralvietnam wurde
verseucht, die Lebensgrundlage der Fischer zerstört.
Erst neun Monate nach der Verhaftung, am 20. Juni 2016, hatte
Nguyen Ngoc Nhu Quynh nach Angaben ihres Anwalts Nguyen Kha Thanh
erstmalig Kontakt zur Außenwelt und zu einem Rechtsbeistand. Ihre
Mutter durfte die Tochter nach Angaben von AFP gestern zum ersten
Mal seit der Inhaftierung sehen, allerdings nur für fünf Minuten.
Umweltschutz als Herzensangelegenheit
Die Aktivistin bloggte seit 2006. Ihr eigentümlicher Name "Mutter
Pilz" leitet sich von dem Spitznamen ihrer jüngsten Tochter ab, die
"Pilz" gerufen wurde. Es ist in Vietnam üblich, Kinder bei einem
Spitznamen zurufen.
Nguyen Ngoc Nhu Quynh veröffentlicht ihre Beiträge sowohl auf
Facebook als auch auf Internetplattformen, die im Ausland betrieben
werden, und machte auf soziale Ungerechtigkeiten und Umweltskandale
aufmerksam.
Seit der Umweltkatastrophe an dem taiwanesischen Stahlwerk kommt es
immer wieder zu Protesten in Vietnam
Im Fokus stand dabei sehr lange eine 2009 eröffnete Bauxit-Mine im
zentralen Hochland Vietnams, die in Kooperation mit der
chinesischen Firma Aluminium Cooperation of China Ltd. ausgebeutet
wird. Bei der Umwandlung von Bauxit in Aluminium entstehen
hochgiftiger Abwässer, deren fachgerechte Entsorgung in Vietnam
nicht gewährleistet ist. Die Mine wurde trotz aller Proteste
eröffnet.
Nguyen Ngoc Nhu Quynh ist außerdem Mitbegründerin des "Netzwerks
vietnamesische Blogger", in dem sich unabhängige Autoren
organisieren. Für ihr Engagement wurde sie mehrfach ausgezeichnet.
Unter anderem mit dem "International Woman of Courage Award" des
US-Außenministeriums.
Schwere Zeiten für Kritiker
In Vietnam ist die Pressefreiheit massiv eingeschränkt. Aktuell
belegt das Land auf dem Index zur Pressefreiheit von "Reporter ohne
Grenzen" Platz 175 von 180. Nur in China seien derzeit mehr Blogger
und Bürgerjournalisten inhaftiert als in Vietnam, schrieb "Reporter
ohne Grenzen" in ihrem Jahresbericht 2017. Beobachter und
Menschenrechtsgruppen werten den Prozess gegen Nguyen Ngoc Nhu
Quynh auch als Signal an andere Blogger und Aktivisten: Wer sich
nicht an die von der Partei vorgegebenen Spielregeln hält, drohen
drakonische Strafen.
re/gh (afp,epd,rsf,hrw)
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